Beim achtsamen Training bilden die grundlegenden und die aktuellen Bedürfnisse und Befindlichkeiten des Hundes und des Menschen die Grundlage für das Zusammenleben und für jede Erziehungs- und Trainingseinheit. Die grundlegenden Bedürfnisse müssen erfüllt sein, und nur wenn beide dazu bereit sind, Neues zu lernen und zusammen etwas zu erleben, beginne ich mit dem Training.
Über die grundlegenden Bedürfnisse von Hunden sollte man sich vor der Anschaffung informieren. Dazu gibt es gute Bücher und jeder ausgebildete Hundetrainer hilft auch gerne weiter.
Um die aktuellen Befindlichkeiten festzustellen, braucht es zunächst einmal die Bereitschaft, sich auf den Hund als eigenständiges Wesen einzulassen - und nicht als Befehlsempfänger oder Erfüllungsgehilfen für meine eigenen Bedürfnisse. Einfühlungsvermögen, Beobachtungsgabe und das Wissen um das Ausdrucksverhalten von Hunden, speziell meines eigenen Hundes, helfen weiter.
Zum achtsamen Hundetraining gehört aber auch der Mensch: Bin ich ausgeschlafen, habe ich genügend Zeit für ein Training zur Verfügung? Habe ich meinen Trainingsplan erstellt, die einzelnen Trainigsschritte vor Augen? Reichen meine Nerven und meine Konzentration jetzt im Moment aus, um die Schritte einen nach dem anderen abzuarbeiten und perfekt im Timing zu bleiben?
Wie ist das "Drumrum"? Wetter, Geräusche, Ablenkungen - insbesondere auch durch Gerüche, die wir Menschen gar nicht wahrnehmen? Man kann über manches diskutieren, z. B. darüber, ob ein Rüde lernen kann oder muss, beim Geruch oder bei Anwesenheit einer läufigen Hündin trotzdem mitzuarbeiten. Man muss sich aber in jedem Fall der Situation bewusst sein. Gleiches gilt für alle anderen Ablenkungen, je nachdem, wie stark der jeweilige Hund darauf reagiert.
Wenn ich nun also achtsam alles das wahrnehme, was das Training und die Kooperationsbereitschaft meines Hundes beeinflusst, und dann noch selbst so gut ausgebildet bin, dass ich fit in Trainingstechniken und dem Umgang mit Verstärkern bin - wie komme ich dann noch dazu, den Hund für irgendetwas zu bestrafen, was er tut oder nicht tut? Das geht überhaupt nicht, und damit erübrigt sich auch jede Diskussion, ob Strafe im Training sein muss oder sein darf oder eben nicht.
Das Training mit positiver Verstärkung ist also keine Philosophie an sich, sondern nur die logische Schlussfolgerung aus Wissen, Achtsamkeit und der Bereitschaft, den Hund als Kooperationspartner und als Familienmitglied zu sehen.
Und falls sich jetzt noch jemand fragt, wie man denn einen guten Hundetrainer findet: Alle, die diesem Bekenntnis zustimmen, gehören höchstwahrscheinlich dazu. Falls euch jemand sagt, bei diesem Hund oder bei dieser Problematik muss man aber..., dann gehört er wohl eher nicht dazu.
Mangelndes Wissen kann man erwerben, mangelnde Erfahrung kann man mit Wissen und der Bereitschaft zum achtsamen Umgang mit Hund und Mensch ausgleichen. Umgekehrt gilt das aber nicht: Mangelnde Bereitschaft zum achtsamen Umgang mit Hund und Mensch und zur ständigen Weiterentwicklung der eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten kann man mit gar nichts ausgleichen.
Achtsamkeit ist übrigens etwas, das man erlernen kann, es gibt Kurse und hilfreiche Techniken, aber schlussendlich ist es etwas, das jeder aus sich selbst heraus, tagtäglich und in jedem Moment üben kann.
Jeder Hundetrainer der Welt befindet sich irgendwo auf dem Weg zwischen Nichtwissen und Perfektion - niemand weiß gar nichts, niemand ist perfekt. Das Bestreben zur Perfektion geht aber immer hin zu mehr Wissen, mehr Verstehen, mehr Können und kann deswegen nie ein Weg hin zur "besseren Strafe" sein. Sondern immer nur ein Weg hin zu besser ausgewählten Trainigsschritten, besserem Timing, geschickterem Einsatz von Verstärkern. Und auch ein Weg hin zu mir selbst, als der Mensch an der Seite des Hundes: was ist mir wirklich wichtig im Zusammenleben und kommt nicht aus der Erwartung der anderen?
Christa Weber
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